Das Theater Hora und das Kollektiv vorschlag:hammer werden sich in Das kranke Haus gemeinsam dem Komplex Krankenhaus und seiner medialen Inszenierung widmen. Sie werden ihre eigenen Erfahrungen in Krankenhäusern denen aus Grey´s Anatomy gegenüberstellen, sie werden eine Operation oder eine Visite aus Emergency room re-enacten, sie werden aus Interviews mit Krankenhauspersonal aus deren Alltag berichten und sie werden der Frage nachgehen, was die Institution Krankenhaus in unserer Gesellschaft bedeutet und wie sie historisch gewachsen ist. Dabei werden sie auf der Bühne implizit auch immer ihre eigenen Körper mitverhandeln, die als gesund oder krank gelabelt werden. Sie werden Machtkonstellationen ausmachen und verkehren, werden überhöhen, rationalisieren oder emotionalisieren.
Aus der Spannung zwischen medialer Repräsentation und realen Erfahrungen und Zuständen entwickelt sich eine Inszenierung zwischen Bericht und hypernaturalistischen Bildern, quasi Dokumentarischem und lustvoll Überhöhtem, die von den Ensemblemitgliedern des Theater Hora und den Performer*innen von vorschlag:hammer gemeinsam auf die Bühne gebracht wird.
Die Mittel des “Kranken Hauses” sind simpel – die Aussage allerdings hat es in sich. Denn was denkt das Publikum, wenn da ein Schauspieler mit kognitiver Beeinträchtigung von der Hora-Truppe ihm sagt: “Ich bin hier der Arzt”? Oder ein anderer spricht: “Jeder Mensch hat eine Krankheit. Jeder.” Der Abend lebt von dieser subtilen Unterwanderung seines Themas, ohne seine Schauspieler:innen je auszustellen oder zu benutzen. Sie spielen einfach ihre Rollen, sprechen ihren Text (…). Gelegentlich brauchen sie recht viel Zeit dazu, weil sie die eben brauchen. Und während man so zuschaut, kommen die Fragen nach dem Sinn der Kategorien von Gesundheit und Krankheit, von Normalsein und von angeblich nicht Normalsein ganz von allein.
Doch ist der Abend auch durchsetzt mit zum Schreien komischen Szenen. Natürlich gibt es das obligatorische Arztserien-Gruppenfoto im OP-Saal, alle schick aufgereiht rund um die OP-Liege. Ein Höhepunkt: Die ganze Truppe spielt eine Episode nach aus “Herzflimmern – Die Klinik am See”, es könnte auch “Greys Anatomy” sein oder “Emergency Room”. (…) Sie spielen das großartig schwülstig, zu klimpernder Klaviermusik, bis zum final-fulminanten Satz des dankbaren Angehörigen an den Gott in Weiß: “Ich hätte nie an Ihnen zweifeln dürfen!
Sie spielen überhaupt alle wunderbar: die vorschlag:hammer-Leute Stephan Stock, Kristofer Gudmundsson und Gesine Hohmann mit liebevoller Ironie, die Hora-Leute mit umwerfendem Enthusiasmus und einer Freude, die Robin Gilly und Gianni Blumer unverhüllt-ansteckend zeigen, während Matthias Grandjean, Serafin Michel und Fabienne Villiger überaus ernsthaft ihrer Aufgabe nachgehen.
nachtkritik.de 30.03.2022
Herausgekommen ist eine witzige und gleichzeitig todernste Annäherung an das Thema Krankenhaus, in der die SchauspielerInnen von ihren eigenen Erlebnissen erzählen, aus Interviews von KrankenhausmitarbeiterInnen zitieren und Krankenhausserien nachspielen.
Berliner Behindertenzeitung 11.2022
Mit Witz und Leidenschaft zelebrieren die Darsteller:innen Szenen aus Arzt-TV-Serien, die mit rührseliger Musik unterlegt von schweren Entscheidungen, von Abschieden und viel von Liebe erzählen. Die gelungen Parodien der Hora-Spieler, über die sie sich selbst gelegentlich vor Lachen ausschütten, stoßen auf sachliche Erzählungen und Erfahrungen aus Krankenhäusern. Vom Stress der Ärzte, von den müden Pflegern und den müden Farben an den Wänden ist die Erinnerung an das reale kranke Haus geprägt. Fragen werden gestellt: Warum dürfen Patienten nicht rauchen? Warum dürfen Ärtze rauchen? Warum laden Ärzte die Pfleger nicht ein? Die Pfleger laden aber schon die Ärzte ein. So entsteht ein Bild von den wunden Punkten in den Alltagshierarchien des Krankenhauses.
taz 16.11.2022
von und mit: Gianni Blumer, Robin Gilly, Kristofer Gudmundsson, Matthias Grandjean, Gesine Hohmann, Serafin Michel, Stephan Stock, Fabienne Villiger
Dramaturgie: Hilkje Kempka
Kostüm: Sophie Reble
Kostüm-Asssistenz, Ankleiderin: Liv Senn
Bühnenbild: Sabina Winkler
Bühnenbild-Assistenz: Lin Chih-Ying
Sound: Bernhard la Dous
Technik/Licht: Lukas Sander
Ensemblebetreuung: Stephan Stock
Produktionsleitung: Manuel Gerst
Theaterpädagogik: Anna Fierz
Regie-Assistenz, Pädagogik: Noah Beeler
Fotos: Mali Lazell
Eine Produktion von Theater HORA und vorschlag:hammer in Koproduktion mit dem Fabriktheater Zürich
Gefördert durch die: Fachstelle Kultur Kanton Zürich, Stadt Zürich Kultur, Ernst Göhner Stiftung, Stiftung Züriwerk, Förderverein Theater HORA, Migros Kulturprozent, Kulturpark Zürich-West, Landis & Gyr Stiftung, Schweizerische Interpretenstiftung
vorschlag:hammer wird im Rahmen der Spitzenförderung Theater durch das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW gefördert.